Altersdiskriminierung im Recruiting: Warum Ü50 kein Ausschlusskriterium sein darf
Liebe Personaler: Seid nicht so kurzsichtig.
Noch immer kursiert in vielen Köpfen der Mythos, dass ältere Bewerber– sagen wir mal, 50 plus – nicht mehr „lohnenswert“ seien. Sie stünden ja eh bald vor der Rente, seien nicht mehr belastbar, nicht mehr lernfähig oder nicht mehr offen für neue Technologien. Und natürlich – wie könnte es anders sein – wollen sie auch noch zu viel Gehalt. Also doch lieber den jungen Wilden nehmen, oder?
Diese Haltung ist nicht nur diskriminierend – sie ist auch wirtschaftlich dumm.
Mythos 1: "Die bleiben ja eh nicht mehr lange"
Tatsächlich? Wer sagt denn, dass ein 28-Jähriger länger bleibt als ein 55-Jähriger? Studien zeigen: Viele Jüngere wechseln nach 2–3 Jahren den Job, weil sie sich ausprobieren, orientieren oder schnell weiterentwickeln wollen. Ältere Fachkräfte hingegen suchen oft bewusst Stabilität, Kontinuität und ein wertschätzendes Umfeld. Sie bringen Loyalität, Erfahrung und ein starkes Commitment mit.
Wenn wir ehrlich sind: Eine längerfristige Verweildauer ist bei Berufseinsteigern heute die Ausnahme – nicht die Regel.
Mythos 2: "Die sind nicht mehr flexibel oder lernfähig"
Die digitale Transformation betrifft alle – und viele erfahrene Fachkräfte sind sehr wohl bereit, sich auf neue Tools, Methoden und Technologien einzulassen. Vorausgesetzt, man lässt sie. Wer Ü50 systematisch aus Weiterbildungen ausschließt oder ihnen implizit abspricht, sich noch verändern zu können, zementiert ein veraltetes Bild – und beraubt sich selbst wichtiger Potenziale.
Denn: Wer 30 Jahre Berufserfahrung hat, hat nicht 30 Jahre dasselbe gemacht – sondern zigfach gelernt, sich anzupassen.
Mythos 3: "Die kosten zu viel"
Klar: Erfahrung hat ihren Preis. Aber dieser Preis ist oft fairer als gedacht – und auf jeden Fall leistungsgerecht. Die Realität zeigt: Viele Senior-Kandidaten sind bereit, Kompromisse einzugehen, wenn sie dafür Wertschätzung, Sinn und ein gutes Arbeitsklima bekommen. Und im Vergleich zu überzogenen Gehaltsvorstellungen mancher Berufseinsteiger – die für 3 Jahre Erfahrung bereits das volle Paket fordern – sind viele Ü50-Bewerber erstaunlich realistisch.
Erfahrung kostet – aber Fehleinstellungen sind deutlich teurer.
Was Unternehmen sich entgehen lassen
Wer Kandidat:innen nur nach Alter filtert, übersieht:
Jahrzehntelange Branchenkenntnis
Routinen, die nicht aus Bequemlichkeit, sondern aus Exzellenz entstehen
Kommunikations- und Konfliktfähigkeit aus Erfahrung
Netzwerke, die kein LinkedIn-Profil je ersetzen kann
Resilienz und Reife, die man nicht lernen kann – nur leben
Gerade in heterogenen Teams braucht es Erfahrung UND frische Perspektiven. Wer beides klug kombiniert, gewinnt.
Recruiting braucht Haltung – nicht nur Prozesse
Wenn ihr also das nächste Mal eine Bewerbung mit Jahrgang 1969 bekommt: Lest sie. Sprecht mit den Menschen. Hört zu, was sie bewegt, was sie können, was sie wollen. Und fragt euch ehrlich: Ist es wirklich das Alter – oder nur euer Bias?
Fazit: Gute Leute gibt es in allen Altersgruppen. Wer Ü50 pauschal ausschließt, verliert – nicht nur potenzielle Mitarbeitende, sondern auch Reife, Stabilität und Wissen. Und das in Zeiten, in denen genau das immer schwerer zu finden ist.