Personalmarketing beginnt nicht bei der Anzeige – und endet nicht beim KlickWas Unternehmen übersehen, wenn sie Recruiting auf Jobtexte reduzieren

Viele Unternehmen investieren Zeit und Budget in die perfekte Stellenanzeige: Guter Titel, attraktive Benefits, moderner Tonfall – Haken dran. Doch dann wird sie veröffentlicht, und man wartet. Kommen keine Bewerbungen, wird nachjustiert. Aber: Personalmarketing ist kein einzelner Punkt auf einer Checkliste. Es ist ein Prozess, ein Kreislauf. Und der beginnt lange vor dem Verfassen einer Anzeige und reicht weit über die Bewerbung hinaus.

Der Trugschluss vom Startpunkt "Stellenanzeige"

In vielen HR-Abteilungen wird Recruiting als linearer Ablauf verstanden:

  1. Bedarfsanalyse

  2. Anforderungsprofil

  3. Anzeige schreiben

  4. Veröffentlichen

  5. Auswahlprozess

Diese Logik greift zu kurz. In einem Markt, in dem qualifizierte Fachkräfte sich ihren Arbeitgeber aussuchen können, entscheidet nicht der Text, sondern das Erlebnis. Personalmarketing muss nicht als ein Schritt verstanden werden, sondern als begleitender Rahmen entlang der gesamten Kandidatenreise.

Was vor der Anzeige passiert – und warum das entscheidend ist

Wer heute Talente gewinnen will, muss klar kommunizieren können, wofür das eigene Unternehmen steht. Und zwar nicht nur mit Worthülsen, sondern mit Haltung, Kultur und echtem Einblick in den Arbeitsalltag. Denn das beste Copywriting bringt wenig, wenn die Botschaft nicht mit der Realität übereinstimmt.

Personalmarketing beginnt intern:

  • Wie sprechen Mitarbeitende über das Unternehmen?

  • Welche Werte sind tatsächlich erlebbar?

  • Was macht das Arbeiten in diesem Unternehmen besonders?

Erst wenn hier Klarheit herrscht, kann eine Anzeige entstehen, die authentisch ist und wirkt.

Und was passiert nach dem Klick?

Eine gute Anzeige bringt jemanden zum Klicken. Aber was dann? Wer auf eine unstrukturierte Karriereseite trifft, einen Bewerbungsprozess mit zehn Pflichtfeldern erlebt oder tagelang keine Rückmeldung bekommt, verliert schnell das Interesse. Der erste Eindruck war gut – der zweite war das Gegenteil.

Personalmarketing endet nicht mit dem Klick, sondern umfasst jeden einzelnen Kontaktpunkt:

  • Die Gestaltung und Usability der Karriereseite

  • Der Ablauf und die Sprache im Bewerbungsformular

  • Die Zeit und Art der Rückmeldung

  • Das Bewerbungsgespräch und die Follow-up-Kommunikation

Diese sogenannten "Touchpoints" entscheiden darüber, ob aus Interesse eine Bewerbung wird – und aus der Bewerbung eine Beziehung.

Konsistenz als unterschätzter Erfolgsfaktor

Oft sind die einzelnen Elemente im Recruiting gut gedacht – doch wirken sie nicht wie aus einem Guss. Die Tonalität im LinkedIn-Post klingt anders als auf der Karriereseite. Die Ansprache im Vorstellungsgespräch weicht vom Imagevideo ab. Diese Brüche verwirren Bewerbende und schwächen die Wirkung. Deshalb gilt: Je konsistenter alle Maßnahmen aufeinander abgestimmt sind, desto glaubwürdiger wirkt das Unternehmen.

Was viele Unternehmen vergessen: Die leisen Signale

Es ist nicht nur der offizielle Auftritt, der zählt. Es sind auch die leisen, indirekten Kanäle:

  • Wie spricht das Team auf LinkedIn über das Unternehmen?

  • Welche Bewertungen gibt es auf Kununu & Co.?

  • Wird Bewerber:innen auf Augenhöhe begegnet?

Diese Faktoren wirken oft stärker als jede Hochglanzkampagne. Denn sie vermitteln, wie ein Unternehmen wirklich tickt.

Was Personalentscheider konkret tun können

  1. Alle Touchpoints kartieren: Von der ersten Google-Suche bis zur Vertragsunterschrift. Wo könnte etwas nicht passen? Wo ist Verbesserungspotenzial?

  2. Marketing und HR zusammenbringen: Personalmarketing ist kein reines HR-Thema. Es braucht Storytelling, Konsistenz und Markenverständnis. Die Grenzen müssen fallen.

  3. Authentizität zulassen: Nicht alles muss perfekt sein. Aber es muss echt sein. Das ist glaubwürdiger als jede Hochglanzbroschüre.

  4. Kandidatenreisen durchspielen: Wie wirkt der Prozess aus Bewerbersicht? Wie schnell sind wir? Wie klar ist unsere Kommunikation?

  5. Denken wie ein Bewerber, nicht wie ein Prozessverantwortlicher: Was würde mich ansprechen? Wann würde ich abspringen?

Fazit: Personalmarketing ist eine Haltung, kein To-do

Es beginnt im Unternehmen, zeigt sich in jeder Interaktion und wirkt weit über die Bewerbung hinaus. Wer es ernst meint mit erfolgreichem Recruiting, muss aufhören, Personalmarketing als einen isolierten Arbeitsschritt zu betrachten. Es ist der rote Faden, der alles zusammenhält – und den Unterschied macht zwischen Interesse und Bewerbung, zwischen Bewerbung und Bindung. Gute Personalkommunikation entsteht dort, wo sich Haltung, Klarheit und Menschlichkeit verbinden – nicht in Klickrate-Optimierung allein.

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